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In Pforzheim verschiedene Reaktionen auf New Yorker Anschläge / Ölpreis steigt bis zu zehn Pfennig

Die ferne Katastrophe und der heftige Schock vor Ort

Bestürzung und Sprachlosigkeit herrschen in jüdischer Gemeinde / Flugzeug mit Sparkassendirektor drehte um

(13.09.2001) „Ich schaute aus dem Fenster, zählte die Minuten, Turbulenzen erschreckten mich und alle Geräusche im Flugzeug kamen mir unheimlich laut vor." Sparkassendirektor Stephan Scholl saß in einer Maschine der Continental Airlines mit Flugziel New York, als der Kapitän über die Lautsprecher durchsagte, dass man sofort nach Frankfurt umkehre - mitten über dem Atlantik, zwischen Irland und Grönland. Es habe eine Reihe von Anschlägen in New York gegeben. „Die Passagiere blieben verhältnismäßig ruhig. Nur der Steward hatte so sehr gezittert, dass er die Schokoladensauce nicht aufs Eis bekam. Diese Minuten, bis wir wieder in Frankfurt landeten, werde ich den Rest meines Lebens nicht vergessen." Auf dem Programm des Treffens mit New Yorker Geschäftspartnern: zwei Essen im World Trade Center.

Die Katastrophe von New York bewegte auch in Pforzheim die Menschen. Die Straßen waren Dienstag gegen 17 Uhr wie leergefegt. In vielen Unternehmen wurden die Radios angestellt und Mitarbeiter versammelten sich vor Fernsehgeräten. Viele versuchten auch über das Internet, mehr zu erfahren, doch die Nachrichtenseiten waren dem Ansturm nicht gewachsen: „Dreimal soviel Internetnutzer als sonst wählten sich am Dienstag ins Netz ein. Vor allem Nachrichtenseiten von ARD, ZDF und RTL waren nur in mehreren Anläufen zu erreichen", fasst Webentwickler Michael Kiefer-Berkmann vom Pforzheimer Internet-Provider ePlan zusammen. Im World Trade Center waren zudem auch wichtige Knotenpunkte des World Wide Web untergebracht.

„Wir stellten alle Rundfunkgeräte an und gingen ins Internet. Die Telefone standen nicht mehr still," schildert Peter Wagner, Geschätsführer des Reisebüros Eberhardt jene schockierenden Minuten. „Viele unserer Mitarbeiter hatten Angst um Freunde und Bekannte. Wir kennen auch viele unserer New Yorker Reiseleiter persönlich." Das Reisebüro wurde auch gleichzeitig als Anlaufstelle von verunsicherten Anrufern genutzt, deren Familienangehörige sich zurzeit in den USA aufhielten. „Wir rekonstruierten dann deren Reiserouten. Doch vor allem bei Geschäftsreisenden erwies sich das als schwierig, da oft andere Inlandsflüge als geplant genommen werden."

Ebenso unsicher auch die Lage des international tätigen Unternehmens Witzenmann: „Die Konsequenzen, die diese Anschläge für uns haben werden, sind noch nicht absehbar: Amerikas Grenzen sind zu, zu den Frachtzentren gibt es kein Durchkommen", erklärt Geschäftsführer Dr. Gerhard Flock. Je länger dieser Zustand anhalten werde, desto mehr würde er zu einem wesentlichen Problem des Unternehmens werden. Zumindest ein Lichtblick: „Alle Mitarbeiter unserer Tochterunternehmen sind zur Zeit der Flugzeugentführung am Boden gewesen."

Bestürzung und Sprachlosigkeit herrschten bei der jüdischen Gemeinde. Vorsitzender Rahmin Suliman suchte vor allem den Sinn in der Anschlagsserie: „Kidnapping und Selbstmordattentate sind kein Mittel. Viel mehr ist auf dem politischen Weg zu erreichen." Die Freudenfeste in Palästina würden ihn nicht schockieren: „Es ist nichts Neues, dass sie nach den Bombenangriffen der Irakis oder Selbstmordanschlägen in Tel Aviv so reagieren." Die Polizeistreifen vor dem Gebäude seien verstärkt worden, doch vor Anschlägen habe Suliman keine Angst.

Entgegen den Befürchtungen, viele Bürger würden aus Angst vor einem Hochschnellen der Ölpreise Benzin hamstern, blieb es ruhig an den Tankstellen der Region. „Wir konnten sogar um einen Pfennig runtergehen", beruhigt Tankstellenpächter Markus Walter. Ebenso ruhig Thomas Nest, der am Dienstagabend den Ölhandel einstellen musste (der Kurier berichtete): „Es sieht wieder besser aus. Die Lieferfähigkeiten sind wieder hergestellt. London und Tokio ersetzen die Ölbörse im World Trade Center. Aber der Liter kostet acht bis zehn Pfennig mehr." Das werde sich bis spätestens morgen auch auf die Benzinpreise auswirken.

Bei vielen älteren Bürgern wurden Kriegserinnerungen wach. Doch auch die reinen TV-Bilder können ein Schockerlebnis verursachen: „Etwa, wenn sich Zuschauer in die Lage der Menschen am Katastrophenort versetzen. Die einen sehen die zwei Türme nur wie Bauklötze zusammenstürzen, die anderen durchleben die Lage der gekidnappten Passagiere", erklärt Diplom-Psychologin Andrea Steffen jene „posttraumatische Belastungssituation" vor dem heimatlichen Fernseher. Folge: Schlafstörungen und Konzentrationschwierigkeiten, „wichtig ist dann, dass die Familie zusammenrückt und über das Gesehene spricht.""

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Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

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