TV-SKRIPTE

« zurück


Neue Hotels trotz Wohnraummangel
Gut gebettetes Geld
Obwohl viele Städte über zu wenig Wohnungen klagen, entstehen gleichzeitig neue Hotels. Der Grund liegt in Profit-Streben – nicht nur von Investoren, sondern auch von Städten.
» lesen

Brennstoffzellen in Lastwagen
Lohnen sich 226 Millionen Euro für 100 Lkw?
Daimler Truck erhält vom Staat Geld für den Bau und die Erprobung von Brennstoffzellen-Lkw. Einer aktuellen Studie zufolge ist der Nutzen fragwürdig.
» lesen

Telenotarzt
Leben retten mit Stream
Menschen ringen um ihr Leben und Sanitäter bauen zur Behandlung eine Datenverbindung auf: Was irritiert, ist in einigen Regionen schon üblich. Und Patienten sollen profitieren.
» lesen

Früh übt sich...
Journalimus aus Kinderhänden
Für Journalismus begeisterte ich mich schon als Kind. Das Resultat: die Grundschulzeitung "Jugendpost"
» lesen

„Omas gegen Rechts“ und die Union

(M)erzfeinde?

Mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung sorgte die Union am Tag nach der Bundestagswahl für Frust bei Nichtregierungsorganisationen. Die „Omas gegen Rechts“ im pfälzischen Neustadt wollen die Anwürfe nicht auf sich sitzen lassen.

(06.03.2025) Am Montag nach der Bundestagswahl kam es bei den „Omas gegen Rechts“ zu erhöhtem Datenverkehr und infolgedessen zu erhöhtem Puls: „Wir waren sprachlos und sauer. Dann waren die Reaktionen so etwas wie ‚Ach herrje, wir haben so viel reingepowert vor den Wahlen. Und jetzt das!‘ Und jede von uns merkte: Unsere Arbeit wird nötig bleiben in der nächsten Zeit, es wird irgendwie immer schlimmer“, schildert Kerstin Neurohr, Mitglied im „Orga-Team der Omas gegen Rechts in Neustadt an der Weinstraße“. Vor erst einem Jahr gegründet, haben sich mittlerweile 230 Frauen der Gruppe angeschlossen.

Grund für ihre Gefühlswallung nun: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte am ersten Tag nach der gewonnenen Bundestagswahl ein parlamentarisches Mittel zur Kontrolle der Bundesregierung genutzt, die sogenannte „Kleine Anfrage“. Titel: „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“. Unter den 551 Fragen an die Bundesregierung tauchen auch 24 Fragen zu „Omas gegen Rechts“ auf. Bei ihnen handele es sich um ein „besonders umstrittenes Beispiel“ für staatliche Förderung.

Viele Fragen zu vielen Fragen

Es fallen Begriffe wie „Schattenstruktur“, indirektes Politik-Betreiben mit Hilfe staatlicher Gelder oder „ein Verstoß gegen die demokratische Grundordnung“. Eine Frage lautet: „Wurde der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. in der Vergangenheit wegen parteipolitischer Betätigung abgemahnt oder verwarnt?“

Jan Philipp Thomeczek forscht an der Universität Potsdam zu politischer Kommunikation von Parteien: „In der Kleinen Anfrage tauchen zig Fragen auf einmal auf. Die müssen vorbereitet worden sein. Das spricht dafür, dass eine Strategie dahintersteckt oder sie zumindest suggeriert wird. Aber was das Endziel dieser Strategie ist, ist mir aktuell schleierhaft.“

Thomeczek erkennt immerhin eine Linie: die Abstimmung am 24. Februar mit Billigung von Unterstützung durch die AfD; dann Merz' Äußerung zum Wahlkampfabschluss zu „grünen und linken Spinnern auf dieser Welt“ oder zu Menschen „gegen rechts“, die er nach der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke vermisst hätte, obwohl tatsächlich tausende auf die Straße gegangen waren. Und nun eben der indirekte Angriff auf Nichtregierungsorganisationen, die von der Union einem linken Spektrum zugeordnet werden.

Delegitimieren und diskreditieren

Alles sei als Reaktion auf den pauschalisierend klingenden „gegen rechts“-Ausruf zu sehen, erklärt sich Thomezcek: „Ich kann verstehen, dass die Union auf der einen Seite nicht in einem Atemzug mit der AfD genannt werden will und auf der anderen Seite ‚gegen rechts‘ unscharf ist. Die Union ist natürlich ‚rechts‘, aber mitte-rechts und nicht rechtsradikal.“

„Wir leben in einer in Gesellschaft mit so vielen Krisenherden. Es übernimmt eine Bundesregierung, die in einer so großen Verantwortung steht – mit Trump, mit Putin und Ukraine, mit dem Nahen Osten, mit der Klimakrise. Es ist so viel. Und in dieser Situation ausgerechnet gegen Organisationen vorzugehen, die sich für die Demokratie engagieren, macht mich einfach fassungslos“, ärgerte sich Neurohr und wandte sich zusammen mit sieben weiteren „Omas gegen Rechts“ umgehend in einem Offenen Brief an die örtliche CDU – schließlich wisse die am besten, was diese „Omas in Neustadt“ ausmache, wie sie in ihrem Ort politische Vorträge organisierten, die Stolpersteine vor Häusern einst verschleppter Juden putzten oder die Gesellschaft über Extremismus informierten.

In dem Offenen Brief schreiben die Autorinnen: „Wir sehen darin den Versuch, uns als demokratische, zivilgesellschaftliche Bewegung zu delegitimieren und unsere Arbeit zu diskreditieren, indem man den Missbrauch von Zuwendungen aus Steuergeldern zur einseitigen politischen Agitation unterstellt.“ Die Anfrage suggeriere, ihr Engagement stelle eine Gefahr für die Demokratie dar. Das sei „nicht nur falsch, sondern geradezu absurd“: Sie engagierten sich gegen die antidemokratischen und rechtsextremen Strömungen, die den Rechtsstaat zerstören wollen.

Fragen „doch ganz schön richtig“

Unionspolitiker wie der Landesvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Gordon Schnieder, können diese Reaktion nicht nachvollziehen: „Es geht um Transparenz in der Haushaltsführung: Die Bundesregierung soll begründen, für welche Projekte Millionenbeträge aufgewandt worden sind“, erklärt Schnieder und sieht sich durch die Reaktionen auf die „Kleine Anfrage“ eher bestätigt: „Wenn die aus einer bestimmten Richtung jetzt sehr laut rufen, dann waren die Fragestellungen doch ganz schön richtig. Lassen wir doch die Antworten mal kommen. Wenn alles in Ordnung ist, dann ist das Ding doch erledigt.“

Klingt nach man-wird-ja-mal-fragen-dürfen. Für Verfassungsrechtler wie Sophie Schönberger, Professorin für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, stellten solche Fragen die genannten Organisationen an den Pranger und schürten gezielt Verdachtsmomente: „Aus der verschwörungsideologischen Szene, zu der das Geraune von den ‚Schattenstrukturen‘ in der Einleitung ja durchaus gewisse Bezüge herstellt, ist der Mechanismus gut bekannt.“ Es seien in Fragen verpackte Falschaussagen, „die die verschwörungsideologischen Falschbehauptungen nicht als Tatsachen aufstellen, aber über die Frageform doch sehr hartnäckig insinuieren“, schreibt Schönberger auf „Verfassungsblog“.

„Vom parlamentarischen Fragerecht nicht gedeckt“

Mit den indirekten Unterstellungen und ihrer Wirkung, schlecht ins Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden, eignen sich die Fragen laut Schönberg dazu, die entsprechenden Vereinigungen in ihrer Meinungsfreiheit und ihrer Tätigkeit einzuschüchtern. Deshalb seien weite Teile der „Kleinen Anfrage“ vom parlamentarischen Fragerecht nicht gedeckt: „Zum Schutz der Grundrechte der betroffenen Vereinigungen hätte die Bundestagspräsidentin die Anfrage daher in dieser Form zurückweisen müssen und nicht veröffentlichen dürfen“, folgert Schönberg.

Und Kerstin Neurohr und ihre Mitstreiterinnen müssen das nun ausbaden: Für ihr Engagement erhielten sie im Dezember den „Brückenpreis des Landes Rheinland-Pfalz für bürgerschaftliches Engagement“. Doch gemäß jener „Kleinen Anfrage“ könnte eben auch dieser Preis – vergeben von einem Land unter SPD-Führung, mit 1.000 Euro dotiert – eine Verschwörungserzählung füttern: Wer der SPD gefällt, kriegt einen Preis.

Fressen für die Trolle, Framing im vollen Gange

„Es ist ein rechtes Narrativ, was uns permanent online begegnet: ‚Ihr bezahlten Demonstranten‘ heißt es immer wieder“, schildert Neurohr. „Wir reden hier über 40.000 Omas gegen Rechts in Deutschland und über 23.000 Euro, die bundesweit über Jahre für das Abhalten einer Veranstaltung, Dienstleister, Raummiete oder mal ein Zelt geflossen sind. Wer denkt ernsthaft, für 70 Cent pro Person stehen die Leute Woche für Woche in der Kälte auf einer Mahnwache?“ Es gebe in Deutschland keine „Omas gegen Rechts“, die nicht ehrenamtlich arbeiten, betont Neurohr.

Er werde sich darum bemühen, eine Regierung zu bilden, die die ganze deutsche Bevölkerung repräsentiere, sagte der Kanzler in spe Merz am Wahlabend. Nicht einen Tag später scheinen er und seine Fraktion anderes als wichtiger zu erachten – obwohl das auch manches SPD-Mitglied, das über den Koalitionsvertrag abstimmen soll, verschrecken könnte.

„Einzelfälle bieten Anlass zur Kritik“

„Ich weiß, was das für einen Effekt hat, aber ich weiß nicht, was es Merz bringt“, sagt der Politikwissenschaftler Thomeczek. „Er schiebt die Polarisierung immer weiter voran, der Graben zwischen linken und rechten Parteien wird immer größer. Merz scheint zu denken, das hilft ihm. Wenn er das aber immer so weitertreibt, hätte er irgendwann nur noch die AfD auf seiner Seite. Wenn die Polarisierung steigt, schrumpft die Mitte. Schon jetzt gibt es nur noch eine Koalitionsoption.“

Die Empfänger des Offenen Briefs, die CDU Neustadt an der Weinstraße, antworteten schnell und versuchen sich auch darin, jenen Graben zumindest zu verkleinern: So respektieren sie das ehrenamtliche Engagement der „Omas gegen Rechts“ für Demokratie und Menschenrechte. „Gleichzeitig teilen wir die Sorge der Bundestagsfraktion, dass selbst vermeintlich ‚überparteiliche‘ Gruppen in der Praxis oft eine politische Schlagseite entwickeln können.“ Es gebe „Einzelfälle“, die Anlass zur Kritik böten: „So wurde etwa die Berliner Gruppe 2023 dafür kritisiert, dass sie bei einer Demo mit der Interventionistischen Linken (IL) kooperierte, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“

Das scheint eine Differenzierung in der Pfalz, die jene „Kleine Anfrage“ in Berlin nicht hergibt. Denn die Fragen der Bundestagsfraktion zielen auf „Omas gegen Rechts“ allgemein. „Die Fragen basieren ja auf der Annahme, wir seien ein gemeinnütziger Verein. Aber das stimmt nicht. Weder unsere Ortsgruppe noch der Verein sind als gemeinnützig anerkannt. Wir profitieren also sowieso nicht von entsprechenden Vorteilen“, stellt Neurohr klar. „Von daher wundere ich mich, dass da nicht jemand vorher vielleicht mal Google bemüht hat.“

Ihre Argumente und ihre Kritik werden die „Oma gegen Rechts“ und die CDU in der Stadt am Hambacher Schloss Ende der Woche vertiefen: Dann ist ein Treffen geplant. „Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns für eine wehrhafte Demokratie einzutreten – frei von Extremismus, aber auch frei von Vorverurteilungen“, heißt es in dem CDU-Schreiben. Wie wohl jene „Vorverurteilungen“ der Kleinen Anfrage wieder eingefangen werden?

» nächster Artikel

Letzte Aktualisierung: 6.3.2025

» Zufallstext

» nächster Text





Im Magazin:

70 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund
Auf dem Trittbrett zum Tarifabschluss
Der Deutsche Gewerkschaftsbund wird 70 und feiert das mit einem Festakt in Berlin. Die Freude trübt, dass nicht mal jeder fünfte Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist. Die Gründe dafür sind vielfältig.
» lesen

Gesichtserkennung am Bahnhof
Vom Flop der Foto-Fahndung
An einem Berliner Bahnhof erproben Sicherheitsbehörden derzeit automatische Gesichtserkennung bei Fahrgästen. Das Projekt soll Terror verhindern helfen. Vor gut zehn Jahren lief ein gleiches Projekt in Mainz - und floppte.
» lesen

Tag der Pressefreiheit
Grundrecht unter Druck
Beschimpfungen, Verleumdungen oder Gewaltandrohungen schaden der Pressefreiheit in Deutschland. Die Journalisten kämpfen aber auch gegen wirtschaftlichen Druck. Helfen kann dabei nur ihr größter Profiteur: die Gesellschaft.
» lesen


Kisch, kisch! Kusch, Kusch? Und eine kleine Killerbestie?
Prozess gegen leinenfaule Hundehalterin führte zur Verurteilung
» lesen

jaso°press
mehr JASO im jasoweb.de
Impressum