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Firmenpleiten und Fachkräftemangel

Mehr Insolvenzen wagen

Insolvenzen namhafter Unternehmen wie Hülsta, Hakle oder zuletzt Galeria Karstadt Kaufhof machen Arbeitnehmern Angst: Sind sie die nächsten? Trotzdem fordern die deutschen Insolvenzverwalter mehr Mut zur Pleite.

(03.11.2022) Nach Möbelhersteller Hülsta, Toilettenpapier-Hersteller Hakle und Schuhhändler Görtz ist der Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof die nächste Insolvenz in einer Reihe traditionsreicher Namen. Und wieder erhallt der Ruf nach staatlicher Hilfe. „Bloß nicht!“ entgegnet kurzgefasst der Vorsitzende des Verbands Deutscher Insolvenz- und Sachverwalter VID, Christoph Niering. Er fordert ein Umdenken weg von staatlicher Hilfe hin zu mehr Firmenpleiten – gemäß dem Motto: „Des einen Leid ist des anderen Freud‘“.

„Staatliche Hilfe sollte nur Unternehmen zugutekommen, die zukunftsfähig sind. Denn nicht mehr tragfähige Unternehmen binden wichtige Ressourcen wie spezialisierte Arbeitskräfte, die in überlebensfähigen Einheiten dringend gebraucht werden“, lautet Nierings Maxime. Soll heißen: Lieber Unternehmen eingehen lassen, als sie künstlich am Leben zu erhalten. Die von dem insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer fänden laut Niering anders als noch vor wenigen Jahren innerhalb kürzester Zeit eine neue Tätigkeit. Selbst das Alter der Beschäftigten spiele dabei kaum eine Rolle mehr.

„Markt übernimmt Arbeitnehmer liebend gern“

Denn sie sind allesamt begehrter denn je: Laut Detlef Scheele, bis Juli Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, bräuchte der deutsche Arbeitsmarkt etwa 400.000 Zuwanderer im Jahr, um Fachkräftelücken in verschiedenen Branchen zu schließen; die Arbeitslosenquote beträgt derzeit bundesweit 5,3 Prozent. Da frage sich Niering, der in 25 Jahren mehr als 2.000 Insolvenz- und Eigenverwaltungsverfahren betreute: „Ist es heute richtig, jedes Unternehmen zu erhalten? Oder wären diese Arbeitsplätze nicht möglicherweise bei einem anderen Unternehmen mit einem wirklich tragfähigen, zukunftsorientierten Geschäftsmodell viel besser aufgehoben?“

Beispiel Galeria Karstadt-Kaufhof: Für eine „riesige Verkaufsfläche, wo sich immer weniger Menschen verirren“, wie Niering es formuliert, half der Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereits mit 680 Millionen Euro; mehr als zwei Milliarden Euro Schulden wurden gestrichen, um einen Neustart zu gewährleisten. Noch mal Hilfe? Für Niering falsch: „Der ,Konzern argumentiert, 17.000 Arbeitsplätze würden ohne Hilfe von außen verloren gehen. 17.000 Arbeitsplätze sind verschwindend gering – erst recht, wenn sie sich nicht in einer Region konzentrieren, sondern wie in diesem Fall auf ganz Deutschland verteilen. Das übernimmt der Markt liebend gern.“

Mehr Landeerlaubnisse für den Pleitegeier

Die Gewerkschaft hingegen möchte weiterhin um jeden Arbeitsplatz in Deutschlands letzter großer Warenhauskette kämpfen. Stefanie Nutzenberger, ver.di-Bundesvorstandsmitglied, spricht von einer „höchst bedrohlichen Situation für die Menschen und ihre Familien“. In dieser scheint die Belegschaft schon leidgeprüft: Der Konzern sucht nun bereits zum zweiten Mal Rettung in einem Schutzschirmverfahren – in weniger als zwei Jahren.

Arbeitnehmer in staatlich gestützter Unsicherheit: Ein weiteres Argument dafür, mehr Insolvenzen zu wagen. „Heute finden diese Menschen nicht nur woanders einen Arbeitsplatz, der oftmals besser bezahlt ist, sondern sie fühlen sich da auch besser aufgehoben: Sie müssen nicht fürchten, dass ihnen schon wieder der Haustarifvertrag, der auch einen Sanierungstarifvertrag ist, vom Arbeitgeber gekündigt wird“, gibt Niering zu bedenken und sieht Perspektiven konkret für die Warenhaus-Belegschaft im Discount- oder Fachhandel: „Dort finden sie wesentlich mehr Ruhe: Sie müssen nicht fürchten, dass schon wieder irgendein Insolvenzverfahren kommt, vielleicht das dritte in zehn Jahren.“

Staatliche Hilfen: „Bürgergeld für Unternehmen“

Mehr Landeerlaubnisse für den Pleitegeier und weniger Hilfe durch den Bundesadler käme auch dem Steuerzahler zugute: „Unternehmen, die permanent immer nur eine rote oder eine schwarze Null fahren, die man also gerade am Leben hält, die bezahlen keine Steuern auf Gewinne, weil sie keine haben; Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit sind, zahlen keine Lohnsteuer. Wenn sie aber die Mitarbeiter in erfolgreiche Betriebe geben können, werden auch mehr Steuern gezahlt“, rechnet Niering vor. Der Staat müsse auch kein Kurzarbeitergeld zur Verfügung stellen. Zur Orientierung: Die Bundesagentur für Arbeit schätzte die voraussichtlichen Gesamtkosten der coronabedingten Kurzarbeit zuletzt auf immerhin 46 Milliarden Euro.

Zukunftsfähigkeit: schwer zu beurteilen

Diese staatliche Wirtschaftshilfe zur Corona-Pandemie hat laut Niering auch zu einer veränderten Grundhaltung vieler deutscher Unternehmer geführt: „Auf einmal ruft die Unternehmerschaft danach, dass der Staat ihr helfen muss – überspitzt gesagt: nach Bürgergeld für Unternehmen“. Oftmals sei dies verbunden worden „mit der Drohung einer riesigen Insolvenzwelle“. Die Folge: Viele Unternehmen hätten sich mit staatlicher Hilfe über Wasser gehalten, ohne sich zukunftsfähig zu machen. „Staatliche Hilfe lähmt Eigen-Engagement“, resümiert Niering.

Reaktionen auf Nierings Pleite-Pläne sind schwer zu bekommen: Sowohl die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund beispielsweise wollen aktuell dazu keine Stellung nehmen. Auch Wirtschafts- und Arbeitsmarktfachleute sagen hinter vorgehaltener Hand, die wirtschaftliche Lage sei derzeit zu unbeständig, als das Folgen weitgehend abgeschätzt werden könnten.

Holger Schäfer, Experte für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit für das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, sieht als Notwendigkeit für einen funktionsfähigen Arbeitsmarkt, dass Arbeitskräfte von schrumpfenden zu expandierenden Unternehmen wechseln können: „Staatliches Handeln muss beachten, dass diese Funktion nicht zu sehr beeinträchtigt wird oder zu große Anreize geschaffen werden, in schrumpfenden Unternehmen zu verbleiben.“ Das Problem sei dabei, die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu beurteilen – sowohl für den Staat als auch für die Arbeitnehmer.

Auf dem jährlichen Deutschen Insolvenzverwalterkongress in Berlin sollen konkrete Vorschläge zur „Änderung der Reaktionsmuster“ der Politik vorgestellt werden. Ein Ziel dürfte dabei sein, wieder zum alten europäischen Beihilferecht zurückzukehren. Demnach sind staatliche Hilfen in Höhe von mehr als 100.000 Euro bei Insolvenzgefahr ohne Zustimmung der EU-Kommission nicht rechtens. Niering sieht es so: „Zurzeit haben wir Vergabe von staatlichen Beihilfen an jedes Krisenunternehmen. Das muss wieder zurückschwingen.“

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Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

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