TV-SKRIPTE

« zurück


Maskenmord an Tankstelle
Hass der Alleingelassenen
Nach dem Mord an einem Tankstellen-Kassierer in Idar-Oberstein hat das Landgericht Bad Kreuznach sein Urteil gesprochen. Demnach muss der Täter lebenslang ins Gefängnis. Der Hass in den Protest-Milieus aber bleibt auf freiem Fuß.
» lesen

Reform der Grundsteuer
Eigentum verpflichtet – zu Frist und Frust
Für mehr als 35 Millionen Immobilien und Grundstücke ist dieses Jahr eine extra Steuererklärung nötig: Die Grundsteuer muss neu berechnet werden. Frist: Ende Oktober. Aber viele Eigentümer tun sich derzeit schwer damit. Schon wird der Ruf nach Fristverlängerung laut.
» lesen

Zu wenig Impfstoffe in Afrika
Impfstofffabrikfabri k
Der Mainzer Biotechnologieunternehmen Biontech präsentiert einen neuen Geschäftszweig: transportfähige Produktionsstätten für Impfstoffe. Die ersten sollen in afrikanische Länder gehen. Hilft das, den Impf-Nachholbedarf des Kontinents aufzuholen oder ist es ein PR-Coup?
» lesen

Früh übt sich...
Journalimus aus Kinderhänden
Für Journalismus begeisterte ich mich schon als Kind. Das Resultat: die Grundschulzeitung "Jugendpost"
» lesen

Beginn der Heizperiode

Ahrtal vor dem Winter

Vor einem Jahr hatten viele Menschen im Ahrtal Angst vor dem Winter: Wegen der Flut im Sommer waren viele Heizungsanlagen zerstört. Handwerksbetriebe und Energieversorger kamen mit Reparaturen kaum hinterher. Ein Jahr später gibt es viele Fortschritte. Wohlige Weihnachtstage im Warmen aber sind in vielen Wohnungen noch nicht gesichert.

(01.10.2022) Während zurzeit bei vielen Menschen die Angst umgeht, aufgrund der Energiekrise im Winter in kalten Wohnungen zu sitzen, droht den Menschen im Ahrtal schon zum zweiten Mal infolge Frust bei Frost: Die Flut im Sommer 2021 zerstörte mehrere Tausend Heizungsanlagen. Auch mehr als ein Jahr nach der Katastrophe gibt es Menschen im Ahrtal, die nur in oberen Stockwerken leben, während der untere Bereich ihres Hauses und damit auch meist die herkömmliche Heizungsanlage nach wie vor zerstört ist. Stromfressende Heizlüfter und Radiatoren: im Dauereinsatz.

Hoffnungsschimmer: Lkw mit Baumaterial

„Es ist immer noch ein Problem, weil Gelder fehlen und Handwerksfirmen ausgebucht sind,“ erzählt Iris Münn-Buschow aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Im Frühjahr und Sommer organisierte sie Demonstrationen von Flut-Betroffenen wegen schleppender Hilfen beim Wiederaufbau. Einer ihrer Beweggründe damals war auch die Angst vor einem zweiten kalten Winter. Seit dieser Demonstrationen zunächst im Landkreis und später auch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz werden ihr immer wieder Geschichten aus dem Tal zugetragen. „Viele sind mürbe geworden und überlegen zu verkaufen.“

Viele Häuser seien noch nicht wieder bewohnbar, oftmals entkernt und damit auch ohne Heizungsanlage, schildert Münn-Buschow und ist sich sicher: „Die Menschen von außerhalb des Flutgebietes, im Rest von Deutschland, haben gar keine Vorstellung, wie es hier immer noch aussieht. Wenn ich morgens am Fenster stehe, freue ich mich über jeden Lkw, der Baumaterial bringt. Es sind viele. Und trotzdem ist es immer noch viel zu wenig.“ Dann erzählt sie von einer älteren Frau in der Nachbarschaft: „Sie hat nur einen beheizbaren Raum. Sie hat sich ihren Lebensabend sicher anders vorgestellt.“

"Wärmeflaschen rares Gut"

Jene Frau ist Ilse Schulzki. Zum Glück gehört ihrer Familie in der Nähe ihres bei der Flut schwer beschädigten Fachwerkhauses noch eine kleine Wohnung. Und zum Glück hat sich deren bisherige Mieterin bei den Aufräumarbeiten nach der Flut in einen Helfer verliebt, ist zu ihm gezogen und hat den Mietvertrag gekündigt. So können Ilse Schulzki und ihre Tochter Claudia gemeinsam diese Wohnung nutzen.

Einen Raum können sie beheizen, mit Hilfe eines Radiators. „Und mit Hilfe einer Wärmflasche. Ich habe noch eine letzte ergattern können. Ja, die sind hier tatsächlich rar geworden“, erzählt Claudia Schulzki. Sie schmunzelt dabei, obwohl ihr die derzeitige Situation oft zusetze: „Wir fragen uns oft, wie es weitergeht. Oft hat man hier einen schlechten Tag. Wenn wir dann aber die Straße runter gehen und die anderen Häuser sehen, denken wir, es geht anderen schlechter als uns.“

Materialmangel schlägt im Ahrtal stärker durch

Ihr eigentliches Wohnhaus wurde entkernt, nachdem der sonst kleine Fluss Ahr das Erdgeschoss überschwemmt hatte. Auch hier: die Heizungsanlage zerstört. Die Gas-Zuleitung des Versorgers ist zwar wieder intakt. „Die Anschlüsse sind da. Aber die Therme kann nirgends aufgehängt werden, weil die Wände noch nicht fertig sind.“

Doch auch die Therme an sich lasse auf sich warten: Vor Monaten bestellt ist das Gerät immer noch nicht eingetroffen – aus allgemeinem Materialmangel? Aus Rissen in der Lieferkette? Claudia Schulzki wisse es nicht und viele im Ahrtal sehen sich in derselben Lage: So konnte zwar in einzelnen Ortschaften des Ahrtals das Versorgungsnetz bis zum einzelnen Haus in beeindruckend kurzer Zeit wiederhergestellt werden. Doch auf der anderen Seite der Hausmauer fehlt nicht selten die Technik, Energie in Wärme zu verwandeln. Gasthermen oder Wärmepumpen: Mangelware. Was die Menschen außerhalb des Ahrtals umtreibt – Lieferengpässe durch Materialmangel – es schlägt in den Flutgebieten noch stärker durch.

In Zukunft Nahwärmenetze

Dieser Tage kamen in Mainz rheinland-pfälzische Bauwirtschaft, Landesregierung und Wissenschaft zum zweiten Runden Tisch „Wiederaufbau im Ahrtal“ zusammen. Dabei sprach Kurt Krautscheid, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Handwerkskammern, von einer „kompliziert bis schwierigen“ Lage: „Materialengpässe und gestörte Lieferketten, rasant steigende Preise beim Einkauf, Fachkräftemangel und Inflation treffen auf steigende Energiekosten.“ Das sei eine multiple Krise, in der das Handwerk leider auch weitere, neue Schwierigkeiten erwartet.

Jene Schwierigkeiten machen auch vor den Ortschaften nicht halt, die sich nach der Flutkatastrophe für einen Neuanfang weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien entschieden haben. Mehrere Dorfgemeinschaften – bisher ohne Fernwärmenetz, nur mit einzelnen Heizungsanlagen in jedem Haus – haben sich für Nahwärmenetze entschieden: Heizkraftwerke gewinnen etwa aus Holzpellets oder Erdwärme Energie. Diese Energie wird in Form von Warmwasser über das Leitungsnetz in mehrere Wohnhäuser verteilt.

Neue Notheizungen nötig

Doch noch ist nur eine von 14 Nahwärmenetzen kurz vor Inbetriebnahme. „Bis die Anlagen in Betrieb gehen, müssen wir alternative Lösungen anbieten“, sagt Paul Ngahan. Er berät Kommunen im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz in nachhaltiger Energieversorgung und analysierte seit kurz nach der Katastrophe die Wärme- und Energie-Bedürfnisse der Menschen im Ahrtal. 50 Notheizungen in Form von mobilen Brennwertölkesseln werden dieses Jahr neu gebaut, um die Zeit bis zum fertigen Nahwärmenetz zu überbrücken. Und auch bei diesen Bauprojekten drohen Materialmangel und Lieferengpässe. Trotzdem ist Ngahan zuversichtlich: „Keiner hätte vor einem Jahr davon geträumt, eine Heizzentrale nach einem Jahr einweihen zu können.“

Iris Münn-Buschow lebt mit ihrem Mann übrigens in einem Jahrhunderte alten Haus. Die Ahr überflutete nicht nur Wohn- und Esszimmer, sondern auch die Heizungsanlage. „Die Ölheizung wurde mit Hilfe der Heizungsbauer aus Leidenschaft kostenlos repariert. Gleichzeitig heizen wir mit einem Feststoffbrenner, um Heizölkosten niedrig zu halten.“ Vielleicht wollten sie andere an ihrem Glück einer funktionierenden Heizung teilhaben lassen: „Wir haben ein großes Erdgeschoss und überlegen, ob wir an den kältesten Tagen nicht hier mit anderen Menschen zusammensitzen sollen.“

» nächster Artikel

Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

» Zufallstext

» nächster Text





Im Magazin:

70 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund
Auf dem Trittbrett zum Tarifabschluss
Der Deutsche Gewerkschaftsbund wird 70 und feiert das mit einem Festakt in Berlin. Die Freude trübt, dass nicht mal jeder fünfte Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist. Die Gründe dafür sind vielfältig.
» lesen

Gesichtserkennung am Bahnhof
Vom Flop der Foto-Fahndung
An einem Berliner Bahnhof erproben Sicherheitsbehörden derzeit automatische Gesichtserkennung bei Fahrgästen. Das Projekt soll Terror verhindern helfen. Vor gut zehn Jahren lief ein gleiches Projekt in Mainz - und floppte.
» lesen

Tag der Pressefreiheit
Grundrecht unter Druck
Beschimpfungen, Verleumdungen oder Gewaltandrohungen schaden der Pressefreiheit in Deutschland. Die Journalisten kämpfen aber auch gegen wirtschaftlichen Druck. Helfen kann dabei nur ihr größter Profiteur: die Gesellschaft.
» lesen


Kisch, kisch! Kusch, Kusch? Und eine kleine Killerbestie?
Prozess gegen leinenfaule Hundehalterin führte zur Verurteilung
» lesen

jaso°press
mehr JASO im jasoweb.de
Impressum