Sendedatum: 23.04.2015 • Format, Länge: Rep 2:20 • Sender: ARD
Hätten Goethe, Schiller und Mann gewhatsappt? "What's up, Deutschland?" heißt ein Projekt der Sprachwissenschaftlerin Eva Wyss von der Uni Koblenz. Sie geht der Frage nach, wie Messenger-Dienste Einfluss auf die Kommunikation nehmen. "Messenger mischen mündliche mit schriftlicher Kommunikation. Ein guter Effekt!" Also machen wir das auch und zwängen zum Welttag des Buches große Dialoge der Literatur in 160 Zeichen. So hätte der junge Werther seine Lotte-Liaison mit WhatsApp, Threema und Co. doch noch retten können!
Handy-Tipper und Kurznachrichten-Blicker gibt es allenthalben. Es wird gesimst, gechattet, gewhatsappt. Aber wenn einer mit dem Buch daher kommt? Das sieht schon komisch aus. Derweil ist vieles in den Büchern gar nicht so weit weg von SMS und Co. Schenken wir mal Romeo und Julia einen Kurznachrichtendienst.
ZITAT JULIA: Freund! Gatte! Trauter! Bist du mir entrissen? Gib Nachricht jeden Tag, zu jeder Stunde. Für immer. - ROMEO: Null Problem! Kein Mittel lass ich aus den Händen, um dir, du Liebe, meinen Gruß zu senden.
Solche Literatur von gewöhnlicher SMS zu unterscheiden - die User von heute tun sich damit schwer. Ein Feld-Versuch auf dem Uni-Campus.
VOXPOP „Bist du mir entrissen. Gib Nachricht jeden Tag, zu jeder Stunde. Bist du mir entrissen? Hmm.“ - „Das ist ein sarkastischer, ironischer Hinweis darauf, sich endlich mal zu melden. Das könnte ich mir in einer WhatsApp-Nachricht vorstellen.“ - "Gib Nachricht jeden Tag, zu jeder Stunde: Da könnte man natürlich auch von einer Whats-App-Nachricht ausgehen. Aber ich denke: So schreibt kaum jemand."
Und Goethes Gretchen-Frage als SMS?
ZITAT Gretchen: „Nun sag, wie hast du's mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ - Faust, Heinrich: „Lass das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut.“
VOXPOP „Ja, das ist die Gretchen-Frage. Ja, das ist Literatur.“ – „Es wäre ja mal schön, eine App zu haben, die einem hilft, so etwas zu schreiben.“
Gute Geschäftsidee. Doch Sprachwissenschaftlerin Eva Wiiiss hat 330.000 "WhatsApp"-Nachrichten gesammelt. Fast so viele Wörter wie in drei Bibeln. Aber ähnlich sinnstiftende Inhalte seien von Kurznachrichten nicht zu erwarten.
O-TON Eva Lia Wyss, Sprachwissenschaftlerin Universität Koblenz-Landau: „Weil sehr oft auch sehr flapsig oder locker kommuniziert wird, so ein bisschen eine dauerironische, dauerhumorvolle Modalität eigentlich beobachtbar ist.“
Für mehr Tiefgang also weiter in die Welt der Bücher abtauchen. Und wer dabei nicht vom Handy lassen kann: Dichter und Denker gibt’s ja auch digital.