Sendedatum: ??.11.2004 • Format, Länge: OTB 3:50 • Sender: A&O
Samstag, gegen 12 Uhr. Es ist Zeit für das Mittagessen. Heute gibt es die türkische Spezialität Kebab. Richtig viele Gäste werden die Tischgemeinschaft teilen: Drei Familien mit ihren Kindern werden bekocht. Doch wir sind nicht bei Familie K. zuhause. Nein, hier ist man hinter Gittern, hinter den Gittern der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall.
Es ist Familientag. Das heißt, bis zu sechs Gefangene dürfen für sechs Stunden von ihrer Familie besucht werden. Während im Flur die Kinder auf das Essen warten, wird in der Küche gekocht. Sechs Stunden Familienleben, als ob nichts wäre.
OTON Nurgül K., Ehefrau eines Gefängnisinsassen
Übersetzen:
„Die Kinder fragen mich, wenn ein Familientag ansteht. Dann zählen die Kinder, wieoft sie noch schlafen müssen, bis sie ihren Vater sehen.“
Seit einem halben Jahr gibt es die Familientage. Alle zwei Monate. Bis dahin war es ein langer Weg, alle verwaltungstechnischen Bedenken mussten entkräftet werden. Jetzt lässt der Familentag vergessen, dass man sich im Gefängnis befindet, dass das Familienglück nur von beschränkter Dauer ist, bis die drei Uhr Glocke die Väter wieder von ihren Familien trennt. Gefängnispfarrer Gerold Rieker und sein katholischer Kollegen haben ihr Ziel nicht verfehlt. Obwohl die Zeit so kurz ist, rettet der Familientag ein bisschen das Familienleben.
OTON Irina S., Ehefrau eines Gefangenen
In Schwäbisch Hall gewährt man vier Stunden Besuchszeit, in denen Gefangene ihre Familie sehen dürfen. Der Gesetzgeber verlangt nur eine Stunde. Dazu kommen fünf Minuten Telefonzeit die Woche. Der Briefverkehr ist nicht beschränkt. Das alles ist zu wenig. Um zu besprechen, wie es mit der Zuknunft der Kinder weitergehen soll
Am Ende des Familientags helfen nur noch die Familienfotos über den Trennungsschmerz hinweg.
OTON
Es soll kein falscher Eindruck entstehen: Alle Gefangenen akzeptierten ihre Strafe, damit wollen sie kein Mitleid erwecken. Aber sie sagen auch alle einstimmig: Familienentzug straft mehr als Freiheitsentzug.