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Sendedatum: 26.02.2018 • Format, Länge: Rep 2.30 • Sender: ARD

Der Gemeinderat von Herxheim am Berg hat am Montagabend entschieden: Die sogenannte Hitler-Glocke in der protestantischen Jakobskirche wird nicht entfernt. Das Votum des Gremiums war eindeutig. Die "Hitler-Glocke" hängt seit 1934 im Turm der protestantischen Kirche St. Jakob. Zehn von 13 Ratsmitgliedern waren in geheimer Abstimmung für einen Verbleib.

Fest gemauert in der Erden steht im pfälzischen Herxheim am Berg die Sankt Jakobskirche. In ihrem Turm, hoch oben und von außen nicht zu sehen, schwingt die denkmalgeschützte Glocke 3 mit der Inschrift: "ALLES FUER'S VATERLAND – ADOLF HITLER". Hängen lassen, zum Altmetall damit oder ins Museum?

ATMO "Dong"

Darüber befand heute Abend der Gemeinderat. Die Entscheidung: Zehn zu drei Stimmen, dass die Glocke hängen bleibt. Die Propeheizung der Kritiker, die tausend Jahre alte Kirche werde Wallfahrtsort rechter Touristen - für den Gemeinderat kein Argument.

O-TON Georg Welker, Ortsbürgermeister Herxheim am Berg: "Im Museum würden eher solche Menschen kommen, vor die Glocke gestellt, Hakenkreuz halb links und dann Selfie gemacht: Das kann hier nicht passieren."

Über dem Altarkreuz ein Hakenkreuz! Bei Sigrid Peters und ihrem Mann schrillten damals die Alarmglocken, als sie davon erfuhren. Sie hatte viele Jahre in der Kirche Orgel gespielt und nichts von der NS-Glocke gewusst.

O-TON Sigrid Peters: "Das ist eine Glocke, die ist einem Massenmörder gewidmet, der unsägliches Leid über Europa gebracht hat. Und diese Glocke läutet die Leute zum Gottesdienst zusammen?"

Diese Frage führte nach 83 Jahren des nahezu unbeachteten Hängens das ARD-Magazin "Kontraste" in die Gemeinde. Das Fernsehteam brachte die Sache mit der Glocke vollends ins Rollen, weil Bürger und Bürgermeister sich offenbar nicht an ihr störten.

VOXPOP "Des Geläut ist doch so schön!" - "Was kann die Glocke dafür?" - "Wegen derer scheiß Glocke! Das ist doch Geschichte!"

O-TON Ronald Becker, ehemaliger Ortsbürgermeister, August 2017: "Ich glaube, drei Stück gibt es in der ganzen Bundesrepublik, die diese Aufschrift tragen. Von daher kann man nur stolz sein."

Über diesen Stolz war nicht nur der Zentralrat der Juden entsetzt. Becker, Mitglied der Freien Wähler, kam mit einem Parteiaustritt einem Parteiausschlussverfahren zuvor, trat als Bürgermeister zurück. Und machte Platz für einen Pfarrer im Ruhestand. Der punktete mit dem Wahlversprechen: Die Glocke bleibe hängen. Die NPD solidarisierte sich mit dem Klangkörper, Gegendemonstranten standen ein für bunte statt braune Glocken. Die evangelische Landeskirche der Pfalz bot an, sämtliche Kosten für einen Glockentausch zu übernehmen.

Dieses Geld wäre besser zum Sanieren der Kirche investiert, sagt die Lokalpolitik heute. Vielleicht wird dabei auch dieses Relikt beseitigt, das angeblich erst kürzlich durch Zufall entdeckt wurde.