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Sendedatum: 27.02.2018 • Format, Länge: Rep 3:05 • Sender: ARD

Haken-Kreuze und andere Überbleibsel des NS-Zeit wurden nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigt. Man versuchte es zumindest. Wie in Nürnberg, wo ganze Gebäude gesprengt wurden. Doch an manchen Orten gibt es sie noch. Wie in Kirchen. So auch im pfälzischen Herxheim.

Sie müsste nicht mal gesprengt, sondern einfach nur abgehängt werden. Und schon hinge nicht länger eine Glocke in einem Gotteshaus, die Adolf Hitler gewidmet ist. Doch was so einfach klingt, treibt die pfälzische Gemeinde Herxheim am Berg seit vergangenem Sommer um.

Der Streit geht auf sie zurück: Sigrid Peters. Über Jahre bereitete es ihr immer wieder Freude, in dieser mehr als 1000 Jahre alten Kirche die Orgel zu spielen. Bis sie von der Hitlerglocke erfuhr, die im Turm über ihr hängt. Da ging sie an die Öffentlichkeit.

O-TON Sigrid Peters: "Man muss sich drauf verlassen können, wenn Sie in ein Gotteshaus gehen, dass da eine Widmung draufsteht, die etwas mit der Bibel oder mit der Kirche zu tun hat. Wenn Sie heiraten, dann läutet da eine Glocke, auf der steht: ‚Freut Euch, das Eure Namen im Himmel geschrieben sind.‘ Und das ist eine Glocke, die ist einem Massenmörder gewidmet."

Ähnlich empfanden das auch verschiedene Parteien und Institutionen wie der Zentralrat der Juden. Die Kirchengemeinde stellte die Hitlerglocke dann ab. Doch die Glocke erfüllte weiterhin lautlos ihre Aufgabe: Sie läutete Menschen herbei.
Zum Beispiel die NPD: Sie rief zur Solidarität mit dem Klangkörper auf; internationale Medien berichteten über die Heil-Glocken, Journalisten kamen in das Dorf und führten Interviews wie das mit dem damaligen Ortsbürgermeister im ARD-Magazin Kontraste:

O-TON Ronald Becker, ehemaliger Ortsbürgermeister, August 2017: "Ich glaube, drei Stück gibt es in der ganzen Bundesrepublik, die diese Aufschrift tragen. Von daher kann man nur stolz sein."

Nach solchen Äußerungen trat Becker als Bürgermeister zurück. Und machte Platz für einen Pfarrer im Ruhestand. Georg Welker, der Nachfolger, punktete mit dem Wahlversprechen: Die Glocke bleibe hängen. Dazu muss man wissen: Die Glocke ist Eigentum der Kommune, hängt aber im Gebäude der Kirchengemeinde. Die evangelische Landeskirche der Pfalz bot an, den Glockentausch komplett zu bezahlen.

O-TON Michael Gärtner, Kirchenrat Evangelische Kirche der Pfalz: "Es passt nicht zu einer Kirche, wenn da drin etwas hängt, was aus der Zeit der NS-Diktatur ist. Das zweite ist: Wir möchten gerne vermeiden, dass solche Kirchen zu Wallfahrtsorten werden von Rechtsextremen."

So schien gestern Abend alles bestellt, um den Tausch der Hitler-Glocke im Gemeinderat zu verabschieden. Doch mit 10 zu drei Stimmen entschieden die Lokalpolitiker: Die Glocke bleibt hängen, weil:

O-TON Georg Welker, Ortsbürgermeister Herxheim am Berg: "Die Glocke auch als Anstoß über diese Zeit, über die Gewalt dieser Zeit nachzudenken auch in Zukunft ständig nachzudenken, uns vor Ort besser erschienen ist, als wenn sie irgendwo in einem Museum hängt."

Die Spaltung in der Bürgerschaft: Sie wird nun fortbestehen.

VOXPOP "Ich habe unter der Glocke geheiratet, meine Kinder sind konfirmiert worden. Ich habe kein Problem mit derer Glock'." - "Jeder Tag, da diese Glocke weiterhängt, ist 'ne Schande nicht nur für Herxheim. Das ist ne Schande für die Bundesrepublik."

Nun entscheidet die Kirchengemeinde, ob die Hitler-Glocke von Herxheim auch wieder zu hören sein wird. Immerhin: Zu sehen ist sie - verborgen im Turm - nicht.