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Forderung nach einheitlichen Akku-Tests für E-Autos

Der Gesundheitspass krankt

Gebrauchtwagen mit Elektroantrieb lassen sich schwer verkaufen. Denn ihr Herzstück, der Akku, gibt Kaufinteressenten Rätsel auf. Die Branche will Durchblick liefern. Nur wie?

(16.03.2024) Während beim Verbrenner eine Probefahrt und ein Blick unter die Motorhaube den Umgang des Vorbesitzers mit dem Gefährt immerhin andeuten können, ist beim E-Auto das teuerste Bauteil eine „Black Box“, die ihr Inneres verbirgt: Die Ionen – jene elektrisch geladenen Teilchen, die Kraft liefern – können vom Vorbesitzer in Wohlfühlatmosphäre durch die Landschaft gegondelt worden sein. Oder er hat sie getreten, dass sich die Batteriezellenwände biegen.

Haltbarkeit besser als erwartet

Verbrenner- und E-Autos teilen dasselbe Schicksal: ihren Fahrer. Dessen extreme Handlungen wie langes Fahren unter Volllast oder lange Standzeiten unter falschen Bedingungen lassen beide gleichermaßen altern.

Daniel Görges forscht zu Elektromobilität an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Die gute Nachricht: „Die Praxiserfahrungen zeigen, dass die Haltbarkeit von E-Auto-Akkus größer ist als von vielen Fachleuten erwartet.“ Und um vieles, was des Akkus Wohlergehen betrifft, kümmere sich das Fahrzeug selbst.

Nur wenige Dinge müssten E-Autofahrer selbst beachten: „Sie sollten nicht immer voll laden, das lässt sich bei vielen Modellen auch durch Einstellungen verhindern.“ Dabei wird mehr Planung verlangt als beim Verbrenner: „Wenn ich weiß, ich brauche bei der nächsten Fahrt nicht die volle Reichweite, dann sollte der nächste Ladevorgang auf 80 Prozent begrenzt werden.“ Am wohlsten fühle sich der Akku immer bei halb vollem Ladezustand. „Unter 20 Prozent ist auch nicht gut“, rät Görges, „denn dann kommt es zu elektrochemischen Prozessen in der Batterie, die für deren Lebensdauer ungünstig sind.“

Angst vor Akku-Katze im Sack

Auch wenn es ums Laden an sich geht, mag es der Akku gemächlich: „Bis zu 11 Kilowatt, typisch für Wallboxen und Normalladestationen, ist unkritisch, was die Alterung anbetrifft“, entwarnt Görges. „Das Schnellladen hingegen mit 50 Kilowatt oder noch mehr belastet die Batterie deutlich. Wenn man das nicht braucht, sollte man es vermeiden.“ Je kleiner die Ladezustandsveränderungen, desto besser.

Nur: Hat sich der Vorbesitzer das alles zu Herzen genommen? Zwei Drittel der Neuwagen in Deutschland werden als Flotten- oder Firmenwagen angemeldet und vergleichsweise schnell als Gebrauchtwagen wieder verkauft. „Für den Erstbesitzer ist das Thema Akku-Haltbarkeit deshalb unwichtig“, ist für Görges klar. „Für Gebrauchtwagenkäufer aber ist der Gesundheitszustand ein sehr wichtiges Thema.“

Das hat auch die Branche erkannt – spätestens, seit E-Gebrauchtwagen sich nicht gerade als Kassenschlager bei den Autohändlern entpuppten. Neben höherem Preis verschreckt auch die Akku-Katze im Sack.

Vertrauen mit viel Messtoleranz

Vertrauen schaffen soll eine vor allem für Autos deutscher Hersteller ungewöhnlich lange Garantie – in vielen Fällen soll der Akku nach acht Jahren oder 160.000 Kilometer noch mindestens zwei Drittel Restkapazität besitzen. Mancher Hersteller spendiert sogar zehn Jahre oder bis zu einer Million Kilometer Garantie.

Außerdem verweisen sie auf „Akku-Gesundheitszertifikate“ oder auch Tests des „State-of-Health“, kurz „SoH“. Es ist ein käuferfreundliches Werkzeug, von dem Verbrennerfahrer nur träumen können: „Dabei wird ein Messverfahren angewendet, bei dem der verfügbare Batterieenergieinhalt, beziehungsweise der ‚State of Health‘, ausgelesen wird“, erklärt Jochen Tekotte, Sprecher für Nachhaltigkeit bei Volkswagen, und muss die Aussagekraft des Angebots ein wenig einschränken: „Da die Rahmenparameter zum Zeitpunkt der Bestimmung – wie Temperatur, Ladegeschwindigkeit – nicht bekannt sind, kann die Messgenauigkeit nicht garantiert werden.“ So steht auf dem „Batterie Health-Quicktest“ eines VW-Händlers: „Das Ergebnis der Messung kann bis zu +/- 10 Prozentpunkte von der tatsächlichen Restkapazität abweichen.“

Das ist ernüchternd. Denn Fachleute raten Gebrauchtwagenkäufern, die Finger zu lassen von E-Fahrzeugen mit einem SoH von unter 80 Prozent. Mit der Messungenauigkeit verschiebt sich diese Grenze nun. Das Test-Blatt sei „somit de facto wertlos“, urteilt Marcus Berger.

Gesundheitstest: schwere Diagnose

Er ist ein Fachmann auf dem Gebiet der Batteriediagnostik und vertritt als CEO die Firma „AVILOO“, einen Akku-Testanbieter. Seine dabei gesammelten Erfahrungen stärken nicht gerade das Vertrauen in den E-Gebrauchtwagenmarkt: „Wir hatten schon Fahrzeuge, bei denen der SoH bei rund 40 Prozent gelegen hatte und das Batteriemanagementsystem ihn immer noch im Bereich von 90 Prozent anzeigte.“

Selbst wenn Angaben stimmen, dürfte ihre Auslegung Verbrauchern Rätsel aufgeben: Schädliche Schnellladevorgänge verstecken sich unter „Anteil DC geladene Energie“; die Akkuabnutzung verrät die „gesamt geladene Energie in Kilowattstunden“, indem deren Wert durch die Gesamtkapazität der Traktionsbatterie geteilt wird – aber bitte ohne den Puffer, den der Hersteller zum Schonen des Akkus vielleicht eingerichtet hat. Und vergessen Sie nicht die „Zellspannungsspreizung“!

Solche Datenblätter seien von den meisten Menschen kaum nachzuvollziehen, stimmt Görges zu. „Es sollte auf wenige, entscheidende Angaben runtergebrochen werden, die leicht nachvollziehbar und verständlich sind. Exakte Messwerte sind nur für Fachleute hilfreich.“

Selbst jene Fachleute wie Wissenschaftler Görges und Unternehmer Berger werden in Anbetracht eines „Batterie Health-Quicktest“ von VW stutzig: Obwohl das Fahrzeug, ein Plug-in-Hybrid, nicht schnellladefähig ist, wird ein Wert dazu ausgegeben. Beeinflusst er das Gesamtergebnis?

Batterie-Tests helfen gegen Skepsis

VW-Sprecher Martin Hube, zuständig für Plug-in-Modelle, vermutet, dass der Händler einen auf reine Elektromodelle ausgelegten Test nutzte – was grundsätzlich nicht verkehrt sei: „In so einem Fall wird eben auch ein geringfügiger Messwert fürs DC-Schnellladen ausgewiesen – selbst, wenn das technisch nicht möglich ist.“ Der Service-Berater der Werkstatt sollte sofort erkennen, dass dieser ausgewiesene Wert keine Rolle spiele und es dem Kunden erklären. Auch er rät: „Gebrauchtwagenkäufer sollten auf jeden Fall nach einem solchen Test verlangen, weil es den Kauf absichert.“

Bei einem zweiten Auslesen drei Wochen später spuckte das VW-Batteriemanagementsystem desselben Fahrzeugs laut Berger übrigens einen höheren SoH-Wert aus: drei Prozent mehr – eine wundersame Akku-Verjüngung!

Akku-Irrungen und -Wirrungen sehen auch die Gebrauchtwagenhändler, nur dessen Lösung noch nicht: „Wir sind derzeit dabei, uns die verschiedenen Testanbieter für Hochvoltbatterien anzuschauen, um unseren Mitgliedsbetrieben eine Branchenlösung anbieten zu können“, schildert Marcus Weller, Koordinator Elektromobilität beim Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe. Denn auch er sieht: „Durch einen aussagekräftigen Batteriecheck kann ein Teil der Skepsis gegenüber gebrauchten Elektrofahrzeugen genommen werden.“

Tests im Interesse der Hersteller und Händler

Dazu findet auch Verbraucherschützer Gregor Kolbe, Experte Verkehrsmärkte beim Verbraucherzentrale Bundesverband: „Da eine E-Autobatterie von außen nicht geprüft werden kann, sind die SoH-Nachweise so wichtig. Jedoch müssen sie vergleichbar sein.“ Einheitliche Testverfahren, die auch den Vergleich von E-Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglichten, müssten her: „Hersteller und Händler sollten ein Interesse daran haben, aussagekräftige und vergleichbare SoH-Zertifikate anzubieten“, sagt Kolbe.

Automobilclubs versuchen sich mittlerweile auch in Unterstützung ihrer Mitglieder: „Dazu wird ein kleines Diagnosegerät an das Auto angeschlossen und der Akku muss einmalig weitgehend leer gefahren werden“, erklärt ADAC-Sprecher Micha Gebhardt. „Die gesammelten Daten werden anschließend ausgewertet und ein Batterie-Zertifikat ausgestellt.“

Der ADAC arbeitet dabei mit Bergers Unternehmen zusammen. Doch auch dessen Zertifikate haben noch Luft nach oben: Der SoH-Wert ist zwar sofort ersichtlich und die Messtoleranz beträgt laut Berger bei 99 von 100 Autos gerade mal ein Prozent. Aussagen über Schnellladevorgänge oder Standzeiten aber fehlen.

E-Mobilität muss noch gelernt werden

Berger nennt einen guten Grund, warum die Verbraucherfreundlichkeit Wünsche offenlässt: die Datenbasis. Denn wenn von einem Modell nur wenige Batterie-Testergebnisse vorliegen, lässt sich das einzelne Ergebnis – ist es im Vergleich nun besonders gut oder nicht – nicht stichhaltig genug einordnen. „Diese notwendige Datenbasis haben wir uns jedoch im Laufe des letzten Jahres mit über 50.000 durchgeführten Batterietests erarbeitet. Daher überarbeiten wir derzeit das Aviloo-Batteriezertifikat.“ Mehr Informationen auf dem Testergebnis sollen bald folgen, verspricht Berger.

So verlangt das E-Auto der Branche und ihrer Kundschaft noch einige Hausaufgaben ab. Aus gutem Grund, wie der Geschäftsführer des „Allianz Zentrums für Technik“ Christoph Lauterwasser sagte: „Wir haben mehr als 125 Jahre Erfahrungen mit Verbrennern, aber nur circa zehn Jahre mit modernen Elektrofahrzeugen.“

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Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

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