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Preisentwicklung

Geduld ist gefragt

Zuletzt stiegen viele Preise nicht mehr so stark wie nach dem Beginn des Ukraine-Krieges. Die Inflation sank deutlich. Doch auf dem Weg, dass sie nur noch gesunde zwei Prozent beträgt, könnten Verbraucher und Wirtschaft noch einige Rückschläge erleben.

(11.11.2023) Inflation senken wirkt ein bisschen wie Kegeln: Zunächst ein Kinderspiel, Kegel zum Umfallen zu bringen, wird der nächste Treffer immer langwieriger, desto weniger noch stehen. Die Nervosität steigt. Am meisten Können verlangt es, diesen einen letzten standhaften Kegel zu erwischen, damit alle Neune endlich abgeräumt sind.

Eine zu hohe Inflation möchte auch die Geldpolitik abräumen: Die „Disinflation“ soll vorankommen, also das weitere Abbremsen von Preissteigerungen. Das Geld wird dann zwar – im Gegensatz zu Deflation –immer noch immer weniger wert. Preise steigen also weiterhin. Aber nicht mehr so schnell. Das ist wichtig, denn sonst droht eine „Entankerung“, wie Ökonomen es nennen: Die an sich vernünftige Maxime des Einzelnen „Was Du heute billiger kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ führt heute zu mehr Nachfrage und morgen wiederum zu höherem Preis für alle.

Teuerungstreibende Kegel beseitigen

Dagegen hilft: Vom Spitzenwert vor einem Jahr mit fast neun Prozent Inflation in Deutschland soll es wieder auf zwei Prozent gehen – jener Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) für eine Inflation, die einerseits einer zu hohen Geldentwertung entgegenwirkt, andererseits Verbraucher und Unternehmer zu Konsum oder Investitionen anregt, anstatt das Geld zu horten und Investitionen zu verschieben.

Jetzt steht die Inflationsrate für Oktober auf fast vier Prozent in Deutschland und damit etwa um die Hälfte niedriger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Kegel scheinen also schon schnell deutlich dezimiert. Lücken in den globalen Lieferketten wurden geschlossen und die Energie- und Lebensmittelpreise sanken wieder nach ihrem Höchststand zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: zwei teuerungstreibende Kegel beseitigt.

Disinflation braucht Zeit

Das zeigt sich im Supermarkt: Wurden für einen mit Nahrungsmitteln und Getränken gefüllten Einkaufswagen im Herbst 2021 noch 100 Euro fällig, kostete dieselbe Auswahl ein Jahr später 17 Euro mehr. Nun müssen fast 125 Euro berappt werden, nur noch 8 Euro mehr – die Preissteigerung ist also noch vorhanden, fällt aber niedriger aus, die Inflation im Supermarkt gebremst. Energiekosten waren zuletzt sogar günstiger als vor einem Jahr.

Doch darüber darf sich nicht zu früh gefreut werden, wie es der Internationale Währungsfonds in einer Analyse vergangener „Inflations-Schockverläufen seit den 70er-Jahren“ feststellt: Nicht mal ein Drittel der Fälle von hoher Inflation sanken in fünf Jahren wieder auf das gewünschte Maß; selbst „erfolgreiche“ Verläufe brauchten dafür mehr als drei.

„In erster Linie liegt das daran, dass es verzögerte Effekte eines Inflationsschubs gibt,“ erklärt Philipp Harms, Ökonom an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, und nennt das Beispiel Lohnabschlüsse: Die beruhten auf Preisanstiegen bei Energie- und Nahrungsmittel und wirkten auch noch in die Phase der Disinflation hinein, selbst wenn Energie und Nahrungsmittel sich schon längst nicht mehr stark verteuern. Hoher Lohn führt wiederum zu Kostendruck, der an die Kundschaft weitergeben werde. „Dieser ‚Zweitrundeneffekt‘ wirkt auf die nächste Phase der Disinflation: Ein ursprünglicher Inflationsschub generiert weitere. Bis sich diese Dynamik wieder beruhigt, kann es eine Weile dauern.“

Viele Stolperfallen

Geduld ist gefragt. Wie in einem Langstreckenrennen „die letzte Meile der Disinflation“ nannte es Isabel Schnabel kürzlich in einem Gastvortrag. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist EZB-Direktoriumsmitglied und verweist auf die jüngsten Expertenprognosen ihres Hauses. „Sie verdeutlichen ein wesentliches Merkmal der letzten Meile: Während es ein Jahr dauerte, um die europaweite Inflation von 10,6 % auf 2,9 % zu bringen, wird es voraussichtlich etwa doppelt so lange dauern, bis die Inflation wieder auf zwei Prozent geht.“

Problem: Der Weg ist nicht nur lang – je länger er wird, desto öfter lässt sich stolpern. Während der Phase hoher Energiekosten und gestörter Lieferketten konnten Unternehmen oft ihre Preise über ihre eigentlichen Kostensteigerungen hinaus erhöhen. „Wenn jedoch die Kosten für Energie und Rohstoffe sinken oder die Bedingungen weitgehend stabil sind, verhalten sich die meisten Unternehmen anders: Dann ändern sie ihre Preise zurückhaltender, was die zugrunde liegende Inflation verfestigt und den Inflationsabbau verlangsamt“, schildert Schnabel.

Nachfrage dämpfen den Preisen zugunsten

Stolperfallen auch am Arbeitsmarkt, Stichwort Fachkräftemangel: „Unternehmen haben auf die schwächelnde Konjunktur reagiert, indem sie an ihren Mitarbeitenden festhielten – aus Angst, sie könnten keine Arbeitskräfte mehr finden, sobald die Nachfrage wieder anzieht“, erklärt Schnabel. Deshalb sei die Arbeitslosigkeit kaum gestiegen. Das könnte aber die Kundschaft beim Einkauf bezahlen müssen: Denn mehr Mitarbeiter für dasselbe Produkt kosten mehr Geld. „Höhere Lohnstückkosten erhöhen das Risiko, dass Unternehmen einen größeren Teil ihrer Kostensteigerungen auf die Endverbraucherpreise abwälzen, was den Grundstein für eine Lohn-Preis-Spirale legen könnte“, erklärt Schnabel.

Gleichzeitig wird das Festhalten an Arbeitskräften umso schwieriger, je länger die wirtschaftlichen Aussichten trübe bleiben. Aufhellung fehlt in der derzeitigen Phase der Inflation naturgemäß: „Disinflation geht meistens mit konjunkturellen Dämpfern einher“, schildert Harms. „Die Politikmaßnahmen, die auf Disinflation hinarbeiten, haben weitreichende Effekte: Dass nicht mehr so viel gebaut wird, dass die Unternehmen aufgrund der höheren Finanzierungskosten eher zurückhaltend sind mit Investitionen – das ist alles sogar Teil des Pakets an Maßnahmen, die Inflation senken sollen.“ Denn Nachfrage zu dämpfen, senkt auch die Inflation.

Es braut sich was zusammen

Globale Einflüsse wirken zudem auf den Disinflationsprozess ein: die Ereignisse im Nahen Osten oder das jüngste Gaspipeline-Leck in der Ostsee. „Solche Schocks können den Disinflationsprozess sichtbar stören“, schildert Schnabel und spricht von einer Sensibilität gegenüber „selbst entfernten Risiken wie Streiks in Flüssigerdgasanlagen in Australien“.

Für Philipp Harms könnte auch der Dollar eine Rolle spielen: „Der Wechselkurs ist auch eine Variable, die in diesem ganzen Disinflations-Konzert mitspielt.“ Vieles, was Deutschland importiere, sei in Dollar bepreist. Darunter eben auch Öl. „Und wenn der Euro gegenüber dem Dollar abwertet, dann müssen wir mehr Euro zahlen für etwas, was wir vorher billiger bekommen haben.“

Und dann braut sich noch etwas am Himmel zusammen: „Es wird erwartet, dass der diesjährige El Niño in Teilen der Welt monatelange extreme Hitze und Regenfälle mit sich bringt, was die Risiken der globalen Erwärmung verstärkt. Es droht, dass Erntezyklen gestört werden und die globalen Lebensmittelmärkte noch stärker unter Druck geraten“, schildert Schnabel.

Gelingt der Große Wurf?

Nun sind Krieg und Klima Faktoren, die jederzeit wirtschaftliche Erwartungen zunichtemachen können. Aber sie können in dieser Phase der Disinflation psychologisch mehr anrichten: „Die ‚Theorie der rationalen Unaufmerksamkeit‘ legt nahe, dass Unternehmen und Haushalte beginnen, aufmerksam zu sein, wenn die Inflation hoch ist, was die Preis- und Lohnbildung empfindlicher gegenüber neuen Preisschocks macht“, sagt Schnabel und verweist auf EZB-Umfragen, wonach Ökonomen die Inflation bis weit in die Zukunft hinein erhöht sehen. „Nach einer langen Phase hoher Inflation sind die Inflationserwartungen fragil und erneute Schocks können die Inflation destabilisieren und die mittelfristige Preisstabilität gefährden.“

Nervosität macht nervöser. Umso mehr obliegt es der Geldpolitik, Ruhe zu vermitteln. Schnabel verweist dabei grundsätzlich auf zwei Aspekte: Erstens die Wahl des richtigen Leitzinses, zweitens die Übertragung der Geldpolitik in die Wirtschaft: Wie schnell greifen Zinsentscheidungen? Greifen sie auch im immer größer werdenden Dienstleistungssektor, der weniger abhängig vom Kapitalmarkt ist als etwa die Industrie?

Trotz langem Weg zum Zwei-Prozent-Ziel klingt Isabel Schnabel zuversichtlich: „Die Fortschritte bei der Inflation, die wir bisher gesehen haben, sind ermutigend und stehen im Einklang mit unseren Prognosen.“ Aus dieser Erfahrung heraus habe die EZB auch den Leitzins nach einer vorherigen Erhöhung um 4,5 Prozentpunkte zuletzt unverändert gelassen. Dreht sich die Welt nach den Plänen der EZB so weiter, kommt der Große Wurf, der den letzten Kegel der Inflation abräumt, in zwei Jahren.

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Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

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