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Offener Nachmittag in der Tagesklinik für Psychiatrie

"Kinderärzte müssen nach seelischer Verfassung fragen"

Infostände und Vortrag gegen Tabuisierung von Psychotherapie

(10.10.2002) 1227 wurde die Mühle in Eutingen zum ersten Mal erwähnt. Seit diesem Februar beherbergt der Bau im Stil der Neorenaissance die Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Und gestern öffnete die Klinik bereits zum dritten Mal ihre Türen zum "Welttag der seelischen Gesundheit". "Unser Ziel ist es, die Bevölkerung breit zu informieren über seelische Krankheiten und deren Behandlung," erklärt Chefarzt Dr. Christoph Warmke die Intention der häufigen Tage der offenen Tür. Noch immer existierten Berührungsängste gegenüber psychisch Kranken, und es sei noch ein langer Weg zu gehen, um Entstigmatisierung und Tabuisierung von seelischen Leiden in der Gesellschaft abzubauen. "Die Angst, dass sich eine psychotherapeutische Behandlung im Betrieb oder der Nachbarschaft rumspricht, ist noch immer zu groß."Aus diesem Grund stellten in den angenehmen, hellen Räumen 25 Institutionen aus dem psychosozialen Bereich mit Infoständen und Beratungsgesprächen ihre ambulanten oder teilstationären Angebote vor. Für mehr Offenheit gegenüber psychotherapeutischen Behandlungen plädierte auch der seit Juni ärztliche Direktor des Psychiatrie-Zentrums Calw, Dr. Gerhard Reister.

In seinem Vortrag versuchte er eindringlich, die Gründe für seelische Erkrankungen zu veranschaulichen und deren gesellschaftliche Schwere aufzuzeigen: So zeigten mehr als ein Viertel der Bevölkerung psychische Krankheitsymptome. Mit Beispielen aus seinem Berufsalltag zeigte er auf, wie schnell die Grenzen zwischen krank und gesund verwaschen sind - und ging damit auch das Risiko ein, schlechte Erinnerungen in den rund 200 Zuhören zu wecken: "Ich spreche hier auch über Dinge, denen vielleicht viele unter ihnen nicht gewachsen sind," warnte Reister vor seinem Vortrag. Ereignisse in der frühen Jugend der Kranken seien für viele psychische Einschränkungen verantwortlich. Die Psyche des Menschen entspräche einem Hausbau. Und bei einem schwachen Fundament könne das Leben schnell aus den Fugen geraten, wenn es heftigen Stürmen wie Schicksalsschlägen oder Enttäuschungen nicht gewachsen sei. Spätere seelische Zusammenbrüche deuteten auf frühe Traumatisierungen.

In der Behandlung müsse also vornehmlich das Fundament des Menschen auf seine Festigkeit hin untersucht werden. Mit dieser "Rührerei in der Kindheit" könnten Mangel an emotionaler Zuneigung, Mißbrauch und Fehler aufgedeckt und Methoden gezielt angewandt werden, die das Fundament ,sanieren'. Hinsichtlich der Prävention fehle bisher ein einfacher Grundgedanke: "Kinderärzte sollten nicht nur Gewicht und Größe der Kinder messen, sondern auch die Frage nach ihrer seelischen Verfassung stellen."

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Letzte Aktualisierung: 20.11.2024

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