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Transformation der Autoindustrie

Abgesang auf den Schleifpunkt

Fast zehn Jahre lang fahren Deutsche durchschnittlich ihr Auto. In dieser Zeit verändert sich die Autolandschaft. Die Folge: Diejenigen, die ihrem Wagen lang treu bleiben, werden bei ihrem nächsten Gefährt überrascht sein: Vieles Liebgewonnene und manch Verhasstes ist dann weg.

(19.04.2023) Schnell über Gas-, Brems- und Kupplungspedal tanzen, den Schaltküppel nach vorn oder hinten reißen, blitzschnell die Handbremse ziehen, um die hunderten Pferdestärken im Rücken um die Ecke zu schieben: Wie ergeht es wohl einer Legende des Rallye-Sports, wenn sie sich in ein modernes Auto setzt, in dem der Hebel der Handbremse zum kleinen Kippschalter, der Schaltknüppel zum Drehrädchen geschrumpft ist? Wenn also das ehemalige Handwerkszeug aus dem Fahrzeuginnenraum ins Technikmuseum wandert? „Ich genieße es.“ Jutta Kleinschmidt gewann als einzige Deutsche die Rallye Dakar. „Die Handbremse brauchte es im Straßenverkehr doch nur, um am Hang anfahren zu können. Jetzt ist es so: Ich gehe vom Gas und dann hält das Auto die Stellung.“ Dank technischem Fortschritt mit Regelungssystemen und Software-Steuerung sei Autofahren einfach viel einfacher und damit besser geworden.

Dass „Hardware“ immer mehr aus dem Auto fliegt, ist nichts Neues für diejenigen, die ein jüngeres oder auch hochpreisiges Auto lenken oder beruflich oder leidenschaftlich auf Autotechnik abfahren. Der Durchschnittsdeutsche jedoch bleibt seinem Auto fast zehn Jahre lang treu und damit länger als eine Modellgeneration. Wenn er dann das nächste Auto besteigt, wird er an der einen oder anderen Stelle ins Leere greifen oder treten.

Software statt Mechanik

Denn die Streichlisten der verschiedenen Hersteller sind unterschiedlich, aber meist lang: Der Schaltstock und das Kupplungspedal, mit dem Automobilistinnen und Automobilisten selbst den Schaltzeitpunkt und Gang bestimmen konnten, werden im Elektroauto technisch überflüssig, weil sein Antrieb dank breitem Drehzahlbereich kein herkömmliches Getriebe mehr braucht. Und auch beim Verbrenner wird das Handschaltgetriebe bei vielen Herstellern aus dem Programm genommen: Zu sehr hat sich die Technik entwickelt, Anfälligkeit, Bremsenverschleiß und unpräzise Wechsel zwischen den Gängen gehören angeblich der Vergangenheit an.

„Das ganze Fahrzeug entwickelt sich von Mechanik hin zu einem Softwareprodukt“, erklärt Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management. Fertigkeiten eines Automobilisten spielten bald keine Rolle mehr. „Den Begriff ‚Kraftfahrer‘, der bestimmte Fertigkeiten beherrschte wie Kuppeln oder Zwischengas, um die Gänge zu wechseln, was ich noch vom Traktor kenne in meiner Jugend – das ist irgendwie alles vorbei.“ Der bordeigene Computer kann die beste Fahrweise mittlerweile besser – Fahranfänger freut‘s, wenn sie bei Anfahrt am Hang nicht mehr den Schleifpunkt verpassen und „Abwürgen“ sich in die Liste ausgestorbener automobiler Inbegriffe wie Anlasserkurbel, Zwischengas oder Winker einreihen wird.

Weniger Farbe auf der Modellpalette

Prozessoren statt Gelenkstangen, Bytes statt Schrauben – das macht nicht nur Autofahren, sondern auch Autobauen einfacher. Das passt zur derzeitigen Situation der Branche. Denn der Transformationsprozess der Autoindustrie hin zur Elektromobilität zwingt die Autoindustrie zu noch mehr Wirtschaftlichkeit. „Das Thema ‚Komplexität‘ hängt sehr eng mit dem wirtschaftlichen Aspekt zusammen“, erklärt Bratzel. „Tesla hat drei Modelle mit ganz wenigen Auswahlmöglichkeiten und hat dadurch eine sehr geringe Komplexität, wodurch es eben möglich ist, sehr niedrige Kostenstrukturen zu realisieren.“ Diese Tendenz schauen sich andere Hersteller ab. „Alles, was vorgehalten werden muss, kostet Geld. Und so wird jetzt immer stärker, wenn man so will, ausgemistet. Und da wird viel künftig nicht möglich sein.“

Ausgemistet und ausgelistet – das gilt nicht nur für Ausstattungsvarianten, sondern für ganze Modellreihen. Großes SUV, kleines SUV; Mittelklasse als Limousine und als Kombi; der Nischensportwagen, vielleicht auch noch als Cabriolet: Die Zahl der Fließbänder müsste – vereinfacht gesagt – verdoppelt werden, um Verbrenner und das Elektro-Pendant weiterhin in jeder Fahrzeugklasse parallel entwickeln und produzieren zu können.

Vom Aussterben bedroht scheinen dabei vor allem die kleineren Modelle der jeweiligen Hersteller. Denn je kleiner das Fahrzeug, desto kleiner die Gewinne daran, und im Transformationsprozess muss es dran glauben. So werden dieses Jahr viele Kleinfahrzeugklassiker nicht mehr angeboten. Offizielle Begründung meist: in kleinen Autos keine großen Akkus möglich.

„Kleinwagen haben eine Daseinsberechtigung!“

Das klingt nach einer Art falschem Vorwand, hört man Bratzel, wie er sich in die Denke von Autokonzernlenkern hineinversetzt: „Mit der Neuentwicklung verschiedener Komponenten beginne ich in höheren Segmenten. Das ist die ‚top-down-Orientierung‘. Erst wenn ich mit den Neuerungen gut Geld verdiene und weiß, wie dabei alles im Detail funktioniert, kann ich die Kosten abschätzen und dann gehe ich schrittweise in niedrigere Segmente.“

Dass sich nicht nur die Autos an sich, sondern auch deren Vielfalt verändert, könnte für Interessenten von Kleinwagen oder Menschen mit kleinerem Geldbeutel in den nächsten Jahren zum Problem werden. Bratzel: „Die soziale Dimension der Automobilität ist wichtig. Dennoch wird Automobilität perspektivisch eher teurer. Da müssen wir uns auch darauf einstellen. Ich glaube, dass es schon, wenn man die Massensegmente anschaut, noch ein bisschen dauern wird, bis es finanzierbare Kleinwagen gibt.“

Jutta Kleinschmidt sieht das anders: „Kleinwagen haben eine Daseinsberechtigung! Die meisten Menschen fahren doch nicht weiter als 200 Kilometer am Tag. Ein kleines und vor allem günstiges Auto bietet sich da an.“ Kleinschmidt und Bratzel sehen Spielraum in den Batterie-Größen: „Das teure am E-Auto ist die Batterie. Wozu eine teurere 100-Kilowatt Batterie, wenn nicht oft weite Strecken gefahren werden? Kleine Batterien würden da schon ausreichen“, ist sich die studierte Physikerin Kleinschmidt sicher, die den Dakar-Titel in einem Verbrenner holte, zuletzt in der Rennserie „Extreme E“ für Off-Road-Elektro-Prototypen an den Start ging und somit Erfahrung in beiden Antriebswelten gesammelt hat.

„Erst wenn wir das schaffen – kleine Batterie aber gleichzeitig Schnelllademöglichkeit –, dann wird so ein Elektrofahrzeug im Kleinwagenbereich auch tatsächlich noch leistbar sein“, erklärt Bratzel, verweist aber auch auf die finanzielle Gesamtbetrachtung des E-Autos: Würden Wartungen und Reparaturen miteinbezogen, relativiere sich der hohe Anschaffungspreis bereits jetzt. Dennoch betont er: „Man muss gesellschaftlich dafür sorgen, dass auch Haushalte mit kleinerem Geldbeutel sich Automobilität noch leisten können.“

Vom Auto zum Smartcar

Diese Rolle spielte in Deutschland einst der „Käfer“. Er machte Autofahren erschwinglich. Sein Hersteller verspricht nun mit ähnlichem Ansinnen demnächst einen elektrischen Kompaktwagen auf den Markt zu bringen. Seine Beschleunigungswerte waren noch vor wenigen Jahren Sportwagen vorbehalten: von null auf 100 km/h in sieben Sekunden.
Nichts entwerte ein Auto so sehr wie ein Nachbar, der sich ein neues zulegt, heißt es in der Autobranche. Wenn nun das tiefergelegte Protzstück nicht mehr lauter röhrt, an der Ampel nicht mehr schneller beschleunigt oder wenigstens weiter fährt als das des Nachbarn – womit dann noch das eigene Ego übers heilige Blech aufpolieren?

„Die jungen Menschen sind nicht mehr so autoversessen wie meine Generation, das Statusdenken hat sich verlagert in Richtung Vernetzung, Computer. Heute übertrifft die Navigation meines Smartphones das Navigationssystem von vielen älteren Autos. Es geht in diese Richtung und immer mehr Computertechnik wird in den Autos integriert“, schildert Kleinschmidt ihr persönliches Vernetzungserleben und Stefan Bratzel vergleicht den Autoweltwandel zurzeit mit dem in der Handywelt vor 15, 20 Jahren: „Früher war immer entscheidend, dass ein Handy vier Tage lang hält ohne es laden zu müssen. Heute denkt kein Mensch mehr darüber nach, dass er es jeden Abend in die Steckdose stecken muss.“ Die Mehrwerte eines Smartphones seien bei Weitem besser als die des reinen Telefonierens, vergleicht Bratzel.

Andere Werte zum Posen und Protzen

„Es sind andere Themen, die dann in den Vordergrund rücken: Zum einen gibt es viele andere Statussymbole mittlerweile und das Auto ist nicht mehr das einzige, vor allem in den jüngeren Generationen“, hat Bratzel festgestellt, der als Gastredner regelmäßig Einblicke in die Zukunftsthemen der Automobilbranche gibt und dabei den Blick vor allem auf die Vernetzung des Autos lenkt: „Das wird der zentrale Faktor, in dem sich Autos noch unterscheiden. Es geht weniger um den Antrieb, sondern um den Grad der Vernetzung, der Connected Services, die man dazubucht. Sie halten das Auto andauernd aktuell, verringern Werkstattbesuche und Ähnliches.“

„Was aber auch immer noch ziehen wird, ist schon auch das Aussehen. Optik ist für viele wichtig. Wie sieht mein Auto aus? Ist es besonders? Sieht es besonders schön sportlich aus?“ sieht Kleinschmidt weiterhin als starkes Kaufkriterium.

Und tatsächlich halten viele Autohersteller an einer wichtigen Bühne für ihr Markendesgin fest: Der Kühlergrill hat seine Funktion als Lufteinlass für die Motorkühlung und gleichzeitig als Schutz des Kühlers vor Steinschlag auf früher oft unbefestigten Straßen längst am Wegesrand straßenbautechnischen Fortschritts liegen gelassen; der E-Motor braucht gar keinen kühlenden Fahrtwind mehr. Dennoch bleibt das Frontbauteil bei manchen Herstellern allein als Zierelement – gerahmt mit Chrom, gekrönt mit dem Markenemblem und in Formen von „BMW-Niere“, „Audi-Singleframe“ und dem „Scudetto“, dem Schild bei Alfa Romeo. Form folgt hier nicht der Funktion, sondern dem Ziel, dem Einheitslook moderner Autos mit einer eigenen Visitenkarte entgegenzustehen.

Wenn jener Nachbar mit seinem neuen Wagen vorfährt, wird er übrigens weiterhin trumpfen können – etwa beim Fachvokabular: Elektroautos brauchen weniger Motorraum. So bietet sich mehr Platz für „Frunk“, englisch, gesprochen „Frank“. Es ist ein Kofferwort aus den Begriffen „Front“ und dem englischen „Trunk“ für Kofferraum. Weiß das der Nachbar? Hat er etwa den Laderoboter neuester Generation, der ihm das lästige Stromkabel-einstecken noch schneller abnimmt? Oder wer komponierte sein „AVAS“? Elektroautos, sonst still und leise, müssen bis 20 km/h dieses akustische Warnsignal von sich geben, um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Vielleicht werden die Autofahrer der Zukunft mit dem neuesten Musikhit aus dem AVAS-Sparabo posieren. Noch ist das aber Zukunftsmusik.

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Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

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